Ein Gespräch mit Hochzeitsfotografin Nicole über echte Momente, wilde Seelen und die Kunst des Beobachtens
Nicole, du fotografierst im dokumentarischen Stil – wie gelingt es dir, in deinen Bildern die wahre Essenz und Persönlichkeit eines Paares einzufangen?
Ich beobachte – mit viel Feingefühl und offenen Sinnen. Ich mische mich unter die Gäste, lausche dem Klang der Stimmen, spüre die Blicke, halte inne, wenn sich ein Moment verdichtet.
Es geht nicht darum, perfekte Bilder zu machen, sondern wahre. Ich möchte das Paar nicht „abbilden“, sondern wirklich sehen. Ihre Gesten, ihr Lachen, ihre stille Nähe – all das erzählt mehr als Worte. Wenn ich spüre, dass sie bei mir ganz sie selbst sein dürfen, dann entstehen diese ehrlichen Aufnahmen fast wie von selbst.
Dein Motto lautet „Let me see your wild soul“ – was bedeutet das für dich im Alltag am Hochzeitstag und in der Zusammenarbeit mit Brautpaaren?
Für mich bedeutet wild soul nicht laut oder rebellisch – sondern frei zu sein. Frei von Erwartungen, Rollen, Masken. Sie zeigt sich im Loslassen, im echten Lachen, in einer Träne, die sich leise löst.
Ich ermutige meine Paare, sich nicht zu verstellen. Sie müssen nicht funktionieren, nicht gefallen. Sie dürfen einfach sein. Dieses Vertrauen ist für mich das Schönste. Denn nur wer sich frei fühlt, kann sich auch wirklich zeigen – so wie er oder sie ist.
Hier entstehen Bilder, die mehr sind als Deko fürs Instagram-Feed. Sie erzählen von Freiheit, Stil – und dem Mut, anders zu sein.
Wie gestaltest du das Brautpaar-Shooting, damit sich Paare frei und ungestellt fühlen – auch ohne gekünstelte Posen?
Ich leite mein Brautpaar ganz behutsam an – nicht, um sie zu formen, sondern um sie ins Spüren zu bringen. Es sind keine starren Posen, sondern kleine Impulse, die sie ins Gefühl füreinander führen. Vielleicht ein leiser Schritt aufeinander zu, ein geflüstertes Wort, eine sanfte Berührung.
Ich beobachte, was zwischen ihnen entsteht – und gebe nur so viel vor, wie es braucht, um den Moment in Fluss zu bringen. Dabei entsteht kein Druck, nur Raum. Raum für Echtheit, Nähe, kleine Gesten – für das, was sie wirklich verbindet.
In deiner Arbeit reist du auch international – welche Bedeutung hat die Location für dein fotografisches Storytelling?
Die Location ist nicht nur Kulisse – sie ist Teil der Geschichte. Sie atmet Atmosphäre, erzählt von Kindheitsträumen, Sehnsuchtsorten, vom Zuhause oder einem lang ersehnten Abenteuer.
Ich liebe es, mit dem Licht zu spielen, das durch Olivenbäume fällt oder sich auf alten Mauern bricht. Die Umgebung spiegelt oft wider, was das Paar fühlt. Ob toskanische Weite oder ein wilder Küstenwind – sie alle fließen in die Bilder mit ein. Denn ich möchte nicht nur zeigen, wo sie waren, sondern was sie dort gefühlt haben.
Welche Emotion oder welchen Moment hast du bisher bei einer Hochzeit fotografiert, der dich besonders berührt hat – und warum?
Es war ein ganz unscheinbarer Moment während des Dinners – die Braut hatte sich die Schuhe ausgezogen, ihr Kopf lag müde, aber glücklich an der Schulter ihres Partners. Um sie herum das Fest, die Gespräche, das Lachen – doch in ihrer kleinen Welt war für einen Augenblick alles ganz still.
Diese leisen, ungeplanten Augenblicke berühren mich am meisten. Sie erzählen von echtem Vertrauen, von Ankommen, von Liebe jenseits der großen Gesten. Genau das macht eine Geschichte für mich vollkommen – wenn ich nicht nur die großen Highlights festhalte, sondern die kleinen Wahrheiten dazwischen.
Was empfiehlst du Brautpaaren, die sich auf der Suche nach einer Fotografin sind, die nicht nur Bilder produziert, sondern eure persönliche Geschichte erzählen kann?
Fragt euch: Fühlt ihr euch gesehen? Verstanden? Könnt ihr euch vorstellen, euch so zu zeigen, wie ihr wirklich seid – mit all euren Facetten?
Eine Fotografin, die eure Geschichte erzählt, muss eure Sprache fühlen, nicht nur sprechen. Achtet weniger auf perfekt gestylte Bilder und mehr auf das Gefühl, das sie auslösen. Vertraut eurer Intuition – sie kennt den Weg zu den Menschen, die euch wirklich sehen.
Interview: Renata von Elise’s Atelier
Fotos: © Nicole Schatzeder